Projekt "Vordereinstieg"
Die BVG, der wichtigste Betrieb im öffentlichen Nahverkehr Berlins, hat im April diesen Jahres den sogenannten Vordereinstieg (wieder)eingeführt. Das bedeutet, dass in den Bus nur noch vorne eingestiegen werden darf und viel wichtiger, dabei der Fahrschein vorgezeigt werden muss. Das Ergebnis eines Testprojektes in Spandau wäre "durchweg positiv"[1] gewesen, man verspricht sich "jährliche Mehreinnahmen in Millionenhöhe", nebenbei hätten sich auch die Reinigungskosten verringert. Die nicht "erkennbaren Pünktlichkeitsverluste" gibt es auf gut besuchten Linien übrigens sehr wohl.

In erster Linie ist der Vordereinstieg mE ein Verlust an Komfort. Die meisten Busbenutzer tun dies regelmässig, besitzen ihre (nebenbei gesagt sauteure) Monats-, Semester- oder Jahreskarte. Erstere hat man einmal im Monat austauschen müssen, nun kramt man sie vor jeder Busfahrt heraus, was einfach lästig ist. Wenn man zweimal umsteigen muss, kann man seine Brieftasche gleich in der Hand behalten.
Dass die anderen Türen nicht mehr zum Einsteigen zur Verfügung stehen, ist nervig, gerade wenn man dem Bus quasi hinterher rennt. Wozu haben wir jetzt (ok, schon seit ein paar Jährchen) Busse mit tollen drei Türen, vorne wird man fast zu Tode gequetscht.

Aber worüber ich eigentlich schreiben will ist, wie wenig die Kontrollen der Busfahrer bringen.
Aus Bequemlichkeit fing ich an den Fahrschein einfach in der Hosentasche aufzubewahren. Damit ich den wertvollen, aktuellen Schein nicht verliere nahm ich den vom vorherigen Monat. Anfang Mai zeigte ich also den Aprilschein vor. Als Ausrede, ich war mir sicher entdeckt zu werden, gedachte ich zu sagen, "Achja, wir haben ja schon Mai." Mitte Mai kam sie mir schon ziemlich bescheuert vor, entgegen meiner Erwartungen, brauchte ich sie aber nie.
Kein Busfahrer hat mich bisher darauf hingewiesen, dass mein Fahrschein abgelaufen wäre. Und ich fahre viel Bus, mindestens zweimal täglich. Die meisten werfen einen Blick auf den entgegen gehaltenen Schein und nicken dann freundlich. Manche starren aufmerksam drauf, scheinen in der Kürze wohl nichts zu erkennen, andere winken gleich ab.

Die BVG behauptet, dass diese Regelung die Schwarzfahrerquote deutlich reduziert. Das mag stimmen, sollten die Busfahrer tatsächlich mehr einnehmen. Allerdings glaube ich das nicht so recht, wenn diese Behauptungen nicht falsch sind, so sind sie zumindest leichtgläubig. Ein System, dass sich dermassen leicht umgehen lässt, einfach indem ich ein Stück Papier hochhalte (da keine Kontrollen in Bussen mehr stattfinden muss man nur hineingelangen), ist Schrott. Meine "Methode" ist, verglichen mit den wirklich erfinderischen von Schwarzfahrern, wirklich plump.
Die Frage ist, wiegt der Nutzen wirklich die ständigen Unbequemlichkeiten bei den Nutzern auf (dazu das Geld für die ganze Werbekampagne und die lustigen Aufkleber)? Auf keinen Fall.


[1] http://www.bvg.de/news/newspage160304.html

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